Die Fundstelle „An der Himmelsleiter“ hat es in sich!

„Nach dem Untergang von Eydum im Jahr 1436 siedelten sich die überlebenden Bewohner weiter nordöstlich auf einem höher gelegenen Heide Gelände an und gaben ihrem Ort 1450 den Namen Westerland. Die Grabhügel der Vorzeit, die von der Grundfläche Westerlands her bekannt sind, beweisen, dass an dieser Ortsstelle vor Jahrtausenden ebenfalls Menschen gewohnt hatten“. 

Zitat aus: „Die Nordfriesischen Inseln“ von Henry Koehn

Zu der Zeit war das Meer noch einige Kilometer von der heutigen Insel Sylt entfernt und der Meeresspiegel lag etwa zwei Meter tiefer. 

Zahlreiche Fundstellen von alten Stavenplätzen , Brunnenringen und Spuren von Rinderhufen in einer Furt geben Hinweise, dass es seit dem frühen Mittelalter südlich von Westerland ein Siedlungsgebiet gab. Dazu zählt auch die „Ual-Kerk-Dün“. An dieser Stelle befand sich die Kirche „St Niels“. Wegen Sandfluges hat man die Kirche 1634 abgebrochen und mit dem Baumaterial landeinwärts wiedererrichtet. Heute prägt die Dorfkirche „St. Niels“ mit dem alten Friedhof das Ortsbild von Alt Westerland. 

Für die Beseitigung einer 150 Jahre alten Buhne an der „Himmelsleiter“ wurden die hölzernen Buhnenpfähle im November 2021 durch Bagger freigelegt und anschließend gezogen. In dem Sandaushub entdeckte man nach dem Hochwasser in einem Spülfeld zahlreiche verschiedenartige Backsteine und von Sandstürmen geformte „Windkanter“ sowie durch Menschenhand bearbeitete Findlinge. Bruchstücke einer künstlich geformten Rinne, die wahrscheinlich bei den Erdarbeiten zerbrach, konnten ebenfalls geborgen werden.

Aufgrund stürmischer Wetterlagen wurden die Arbeiten zeitweilig eingestellt. Hierdurch spülte das Hochwasser weitere Fundstücke frei. 

Die letzten Holzpfähle hat man im März 2022 gezogen. Gut erkennbar ist eine ca. 60 cm lange Kleischicht an den Pfählen. 

Unter dem Strandsand befindet sich eine etwa 20 cm starke Feinsandschicht. Darunter erkennt man das damalige Marschland an dem südlichen Geestkern von Westerland.  

„Zwölf verschiedene Backsteine in einem ca. 60 qm großen Spülfeld“

In dem Spülfeld der Fundstelle „An der Himmelsleiter“ befanden sich ausschließlich Backsteine in einem kleinen Format von ca. 20 x 10 x 5,3 cm. Die Verschiedenartigkeit der Fundstücke deutet darauf hin, dass die unterschiedlichen Backsteine wahrscheinlich in einem Zeitraum von 3 Jahrhunderten gefertigt wurden. Bei dem Rückzug der Bewohner auf höher gelegene Siedlungsgebiete könnten die Backsteine mehrmals zum Hausbau verwendet worden sein. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, dass zahlreiche Staven bei der „Burchardiflut“ am 11./12. Oktober 1634 zerstört und von den Wassermassen in eine Wehle gespült wurden. (siehe Artikel „St. Niels wurde 1635 wegen Sandfluges abgebrochen“)

Glasierter Backstein mit einer farbigen Glasur und gebrannten Kalkmörtel.

Oberes Bild (A): Backstein mit gebrannten Kalkmörtel und zum Schutz  gegen aufsteigende Feuchtigkeit mit einem Pech/Sand Gemisch verklebt auf das Fundament.

Quelle: „Handbuch Historisches Mauerwerk“ von Josef Maier 

 

Unteres Bild (B): Backstein mit gebrannten Kalkmörtel und engobiert mit schwarzer Tonschlämme.

Ein mit schwarzer Tonschlämme engobierter Backstein mit Fugenmörtel.

Gebrannter Kalksandstein mit eingedruckten Zeichen, die lateinischen Buchstaben ähneln. Der Kalksandstein stammt vermutlich aus den Kalkgruben in Mönsted, im Norden von Dänemark. 

Zitat: „Als die Dänen vor mehr als 1000 Jahren christianisiert wurden, bekamen sie auch einen Nebenberuf, „Kalkarbeit und Kalkbrennung“. Die Mönche, die mit dem Christentum nach Dänemark kamen, kannten Techniken, die für die Dänen unbekannt waren, z.B. Kalkbrennung zur Gewinnung von Mörtel. Kirchen gehörten zu der neuen Religion und die wurden aus Steinen gebaut. Das Klebemittel, das die Steine zusammenband war gebrannter Kalk, der zu Mörtel gelöscht war, ein ganz neues Baumaterial in Dänemark.

 Unter Mönsted fand man einen Kalkberg. Im Laufe von 200 Jahren wurden mehr als 2000 Steinkirchen gebaut, 10 pro Jahr. Das Kirchen bauen war die Initialzündung zu der Kalkindustrie in Mönsted. Eine Produktion, die 1978 aufhörte“.

Zitat: „Kalkbrennerei Mönsted“, Mönsted, Dänemark

Rekonstruktion eines Teerofens mit Bruchteilen einer Rinne aus der Fundstelle „An der Himmelsleiter“

Die 6 Bruchteile befanden sich, nahe bei einander liegend, im Zentrum des Spülfeldes. Vermutlich handelt es sich um die Ablaufrinne einer Birkenrinde Destille. Aus Birkenrinde destilliertes Pech hatten die Neandertaler nicht nur als Klebstoff gekannt, sondern wahrscheinlich auch als Schmiermittel, zum Abdichten und als Arzneimittel.

Das destillierte Teeröl fließt durch das Auslaufteil (AO) über eine Rinne (R1 bis R5) in einen Behälter. Danach wird es zu Pech verarbeitet.

Bild 1: Ausfluss Kanal (AO) zur Rinne (Teil R1).

Bild 2: Ablaufrinne (Teil R2) – Seitenansicht der Rinne, deren Unterbau aus Feinsand-, Steinen- und Muscheln mit einem Pech Kleber geformt wurde.

Bild 3: Ablaufrinne (Teil R3) – Ansicht der Rinne von unten. Durch eine 30 mm Kernbohrung ist der schichtweise Aufbau der Rinne mit dem Abdruck einer hölzerner Unterlage erkennbar. Feine Holzfasern der Unterlage kleben noch an der Rinne. Die Bohrung erfolgte mit einen Diamant Kernbohrer.

Auf den Nordfriesischen Inseln wurde wahrscheinlich schon in der Bronzezeit Pech Kleber hergestellt. Daher könnte dies der Schnitt durch einen ehemaligen Teerofen sein.

Quelle: „Vorgeschichte der nordfriesischen Inseln“ 

Zitat: „Von Kampen auf Sylt liegen zwei prächtige Schwerter mit Schlingen Bändern auf den Griffen und einem bogenförmigen Heft Abschluss vor, deren Lücken mit Pech ausgefüllt waren“

Quelle: „Vorgeschichte der nordfriesischen Inseln“ Tafel 125,11 Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Karl Wachholtz Verlag Kiel.

In dem Buch „Vorgeschichte der nordfriesischen Inseln“ findet man auch 34 Fundstellen-Beschreibungen auf der Insel Sylt mit Hinweisen auf Fundstücke in Verbindung mit „Harz Pech“ bzw. „Harz Kitt“.

Pech Klumpen aus dem Spülfeld „An der Himmelsleiter“

Zwei auffallend schwarze „Steine“ aus dem Spülfeld konnte man bei erhöhter Raumtemperatur kneten. Bei Nachforschungen erwiesen sich die Fundstücke als Pechklumpen.

Mit einer Radiokarbon Altersbestimmung wurde für den Pech Klumpen A durch eine 14C Analyse ein Alter von 29.000 Jahren ermittelt. Eine Zeit, in der Neandertaler die aus Flintstein gefertigten Pfeil- und Speerspitzen mit Pech Kleber an ihre Jagdwaffen befestigten.

Quelle: Wikipedia

In den Pech Klumpen A und B lassen sich mittels einer  Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GCMS) Verbindungen zu Chemie Produkten nachweisen, die heute noch Verwendung finden.

Zum Beispiel in der Schmieröl Produktion, der Arzneimittel Herstellung, für Kosmetika, in der Klebemittel Industrie und zur Fertigung von Dichtungsmitteln für das Bauwesen.

Quelle: Wikipedia

43.000 Jahre altes Artefakt im Spülfeld „An der Himmelsleiter“

Was anfangs wie ein nasses, rundes Wurzelwerk eines Baumes aussah, zerfiel während eines Trockenvorganges in drei hölzerne Teile. Das Alter des Holzes wurde durch eine Radiokarbon Altersbestimmung ermittelt. Ergebnis der 14C Analyse: 43.000 Jahre. Ob sich die Herkunft des Holzes im Kontext mit weiteren Fundstücken feststellen lässt, bleibt abzuwarten.

Bei einer Radiokarbon Altersbestimmung für dieses Holz lautet das Ergebnis einer 14C Analyse –  > 50.000 Jahre

Wenn das Holz auch in Nähe der Ablaufrinne (Teil R5) gefunden wurde, so ist hier ein Zusammenhang wohl nicht mehr zu belegen.

Warum viele „Windkanter“ in der Fundstelle liegen, lässt sich nur vermuten

Durch ihre oftmals 5- und 6-eckige Form könnten die Windkanter als Pflastersteine, Bodenbelag in Grabkammern und zum Verdecken von Urnengräbern verwendet worden sein.

Windkanter entstanden am Ende der Weichseleiszeit (vor 20.000 Jahren), als das Gletschereis in Schleswig-Holstein  –  etwa auf der Linie östlich der A 7 – zum Stillstand kam. Die Ebene vor dem Eis blieb auch nach dessen Abschmelzen für einige Jahrtausend eine nahezu Vegetations leere, kalte Sand- und Steinwüste. Hochdruckgebiete, die sich über dem Eisschild aufbauten, führten zu einem ständigen Wind, der vom Eis herab in die Sandergebiete wehte. Kleinere und größere Steine, die aus dem Sand herausragten, wurden so permanent durch den Wind mit Sand und Staub geschliffen. Darüber hinaus haben die Verwirbelungen an den Steinhindernissen den Sand aufgewirbelt, was zusätzlich zu Sandschliff führte und die Schliffe bewirkten.

Quelle: „Mitteilung NGM – 6. Jahrgang Heft 1 – von Wolfgang Zessin 

Wurden Porphyre nach Sylt gebracht und hier, in der Fundstelle „An der Himmelsleiter“ bearbeitet?

„Gesteine mit porphyrischen Gefüge entstehen, wenn Magma im Erdinneren zunächst langsam erkaltet. In der Tiefe bilden sich bereits wenige, aber große Kristalle, die in der Schmelze  schwimmen. Kommt es dann zu einem schnellen Aufstieg des  Magmas mit einem Vulkanausbruch, kühlt das verbleibende Magma sehr rasch ab und kristallisiert. Dabei entstehen zahl reiche, mikroskopisch kleine Kristalle, die als Grundmasse oder auch Matrix bezeichnet werden“. 

Quelle: Wikipedia

Wäre der Porphyr (A) während der Saaleeiszeit vor etwa 170.000 Jahren mit einem Gletscher von Skandinavien hierher gebracht worden, hätte er wahrscheinlich eine glatt geschliffene Oberfläche. Porphyr (A) sah jedoch aus wie eine große Kerze, an der Wachs runtergelaufen ist. Daher konnte man den vergrößert dargestellten Teil B von Teil A abbrechen.

Porphyre, die vermutlich von Menschen bearbeitet wurden.

An der „Himmelsleiter“ hat man 1877 beim Bau der Holzbuhne offenbar auch Findlinge aus dem nahen Standort der ehemaligen „St. Niels“ Kirche verwendet

Hinweise dafür erkennt man an Findlingen, die gespalten bzw. bearbeitet wurden. 

Bild 1: Ein Findling (roter Pfeil) mit 4 Ziffern und undefinierbaren Zeichnungen befindet sich in guter Verwahrung. 

Bild 2: Die Ziffern und mythischen Malereien auf dem Findling sind nicht mit Farbe gemalt oder gemeißelt. Sie wurden in den Stein geätzt. 

Bild 1

Bild 2

Vier Indizien könnten als Spur zu den geheimnisvollen Ziffern und Malereien führen.

  1. Über den Geldumlauf und die Kreuzzüge (1095 – 1254) gelangten die arabischen Ziffern im frühen
    Mittelalter nach Europa. 
  2. Wenn die erste, hölzerne Kirche von Eydum um 1250 gebaut wurde, hätte man das Baudatum auf dem Findling mit Ziffern darstellen können.
  3. Die Bewohner kannten durch die Pech-Destille auch Chemikalien, mit denen sie Ziffern und Malereien auf einen Findling ätzen konnten.
  4. Bei Standortwechseln könnten die Eydumer den
    Findling mitgenommen haben, als Zeichen ihrer Verbundenheit und zur Erinnerung an ihre untergegangene Kirche.

 

 „Ein Indiz ist mehr als eine Vermutung, aber eben noch kein Beweis“
Zitat

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