Wie kommt das Sylt-Kachelbild auf einen Flohmarkt in England?
Am 18. August 2020 schrieb Sally Bosson aus England an das Sylter Heimat Museum eine E-Mail, mit der Bitte um Auskunft über ein Kachelbild von Werner Hauberg (1954), das sie auf einem Flohmarkt gekauft hat. Nach 70 Jahren kommt das Kachelbild wieder auf die Insel zurück. Bei ihrem Besuch am 09. September 2024 übergab Sally Bosson das Kachelbild im Sylter Heimat Museum an den Museumsleiter Alexander Römer.
Auf der hölzernen Rückseite des Bildes steht in großen Buchstaben „Zur Erinnerung an die MCS List“ unterzeichnet mit 39 schlecht lesbaren Unterschriften. Durch intensive Recherche fanden wir einen Zeitzeugen in List, der sich an die Besatzung der MCS gut erinnern konnte. Er identifizierte den größten Teil der Unterschriften, darunter auch die seines Vaters Herbert Scheil. Von einigen kannte er nur noch den Vornamen, weil der damals 10-jährige die Crewmitglieder mit Onkel und deren Vornamen angesprochen hat.
Die „Marine Craft Sektion“ (MCS) war ein Marinezweig der RAF für den Einsatz in der Seenotrettung von RAF Flugzeugbesatzungen. In List standen die Seenotrettungsboote von 1946 bis 1961 unter englischer Führung mit überwiegend deutschen Technikern und Arbeitern. Diese hatten z.T. schon bis 1945 eine ähnliche Tätigkeit bei der deutschen Luftwaffe bzw. Marine. 1954 verlegte die MCS nach England. Die Crew verabschiedete sich von ihren Freunden und Kollegen, die ihnen zur Erinnerung an die MCS List ein extra gefertigtes Sylt- Kachelbild überreichten.
In einer Story der BBC über die Royal Air Force berichtet Bill Allen über die Anfänge der MCS in List.
Quelle: Archiv Royal Air Force
„Als der Krieg zu Ende war, gab es für die drei Teilstreitkräfte noch immer jede Menge Arbeit. In Deutschland wurden Marine-, Militär- und Luftwaffenstützpunkte eingerichtet – größtenteils auf Geländen, die sich zuvor im Besitz deutscher Streitkräfte befanden.
Ich wurde zusammen mit einem anderen Steuermann nach List an der Nordspitze von Sylt geschickt, wo die Deutschen eine Flugbootbasis hatten, um eine Marinebasis der R.A.F. einzurichten. Mein Steuermannkollege war von der Luft-/ Seenotrettungsbasis in Gorleston und einer der aller Besten“
„Am nächsten Tag fuhren wir mit der Kleinbahn nach List. Bei der Ankunft wurden wir vom örtlichen Bürgermeister zu unseren Unterkünften geführt und er beeindruckte uns mit der Information, dass die Vormieter Offiziere der Luftwaffe waren.
Der Orderly Room wurde von einem Flight Sergeant geleitet, der nachdem er uns willkommen geheißen hatte weiter sagte, dass es keine Boote auf der Basis gab und dass einer meiner ersten Jobs darin bestehen würde, nach Hamburg zu fahren um ein neu angekommenes Seenotrettungsboot aus England nach List zu bringen.
Zu diesem Zweck wurden mir zwei deutsche Seeleute zugeteilt. Stegmann* und Sommers, zusammen mit einem englischen Funker sollten sie meine Crew sein“.
*Stegmann und Sommers waren die ersten deutschen Crew Mitglieder der MCS List, wobei Stegmann später auch im Büro als Dolmetscher fungierte.
Wir fuhren zusammen nach Hamburg, um das Seenotrettungsboot zu inspizieren.
„Es war so behandelt worden, dass es vor dem Salzwasser während der Überfahrt geschützt wurde und sah daher ausgesprochen schmutzig und ölverschmiert aus. Die beiden Deutschen machten sich daran, das Boot zu säubern und in den nächsten Tagen sah es aus, als käme es gerade aus der Werft. Nachdem wir den Wetterbericht eingeholt hatten, machten wir uns auf den Weg nach List“.
„Zu der Zeit waren in der Lister Kaserne Flüchtlinge untergebracht. Eines Tages passierte ich das Kasernengelände auf dem Weg zum Hafen, als ein kleines Mädchen von vielleicht drei oder vier Jahren ihre Hände ausstreckte, um nach Schokolade, Bonbons oder gar Zigaretten für Papa zu bitten, was mich glauben ließ, dass sie gut trainiert sei. Zum Glück hatte ich eine kleine Tafel Schokolade in meiner Tasche, die ich ihr gab, bevor ich weiterging.
Das war ein Fehler. Als ich an diesem Tag später zurückkam, gab es eine Menge von Jugendlichen und ein paar Erwachsene, die auf mich warteten, alle mit überlagernden Händen. Ich hatte nichts um etwas zu geben. Ich machte mich schließlich auf den Weg durch die Menschenmenge. Zukünftig musste ich einen anderen Weg zum Hafen nehmen“
„Von 1918 bis 1986 lieferte die Marine Abteilung der Royal Air Force weltweit Wasserunterstützung, Rettungseinrichtungen und Dienstleistungen für die Royal Air Force.
Im Jahr 1986 wurde die Marineabteilung aufgelöst, das letzte Boot der RAF ausgemustert. Bis 1986 übernahm der vielseitigere Hubschrauber die Rettungsarbeiten und schließlich wurde die MCS privatisiert, wobei die wenigen verbliebenen maritimen Aktivitäten von zivilen Auftragnehmern übernommen wurden“.
Quelle: Archiv Marine Craft Sektion
Diese MCS Flugsicherungsboote befinden sich im RAF Museum in London.
Als Zehnjähriger war er der „Schiffsjunge“ für die Besatzungen der MCS Boote – später war Klaus Scheil 25 Jahre Hafenmeister in List.
Ein gemeinsamer Rückblick im „Gosch Restaurant Knurrhahn“ mit Klaus Scheil, Bürgermeister Benck, Jürgen Gosch und den Besuchern Sally und Martin Bosson von der Island of Wight aus England, über die MCS, den Hafen und den Ferienort List (www.list-sylt.de).
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