Zerschellt auf der Hörnum Odde
Anfang Oktober 2016 entdeckten Spaziergänger auf der Hörnum Odde hölzerne Balken, die bei Niedrigwasser am Flutsaum herausragten. Nach dem folgenden Hochwasser stellte sich heraus, dass durch Sturmfluten schwere Balken und Planken eines Schiffswracks freigespült wurden, die jedoch zum großen Teil noch von Strandsand bedeckt waren.
Wenige Tage später erkannte man bereits, dieses Wrack hat es in sich. Es gibt Hinweise, um wieviel Meter die Insel Sylt in den vergangenen 300 Jahren gewachsen ist, wie sich die Sylter Küste im Inselsüden verändert, welche Bedeutung der Inselsockel für Sylt hat und wie ein „Kraweel“ im 17. Jh. gebaut wurde.
Ein ähnliches Schiff – das „Wrack von Uelvesbüll“ – wurde 1994 geborgen und aufwendig restauriert. Es befindet sich heute in einer extra gebauten, temperierten Halle im „Schifffahrtsmuseum“ in Husum.
Die Geschichte der Wrackbergung beschreibt Hans Joachim Kühn in seiner Dokumentation Gestrandet bei Uelvesbüll – Wrackarchäologie in Nordfriesland. Sein Vorwort beginnt der Autor mit der Erklärung:
„Erst seit wenigen Jahren werden im nordfriesischen Küstengebiet Schiffswracks systematisch gesucht und dokumentiert. Den Anstoß dafür gab die unerwartete Entdeckung eines bedeutenden archäologischen Fundes“.
Quelle: „Gestrandet bei Uelvesbüll“, Seite 5
„Alle Bauteile sind durch Holznägel miteinander verbunden. Wo die Holzverbände besonders hohen Belastungen ausgesetzt waren, sind neben den Holznägeln auch eiserne Nägel eingeschlagen worden, wie zum Beispiel dort, wo Planken an den Vor- und Achtersteven oder an den Kiel ansetzen bzw. ansetzten“.
Quelle: „Gestrandet bei Uelvesbüll“, Seite 62
„Die meisten Nägel sind Eichenholznägel. Nach Trocknung des Wracks zeigte sich, dass im Bereich des Unterwasserschiffes Nägel aus Weichholz eingeschlagen waren. Diese schrumpften nach der Trocknung stark und ließen sich leicht aus den Bohrungen ziehen. Dabei stellte sich heraus, dass mehrere dieser Nägel mit Resten von Rinde eingesetzt worden sind, es sich also um ein Holz mit außerordentlichem Quellvermögen handeln muss“.
Quelle: „Gestrandet bei Uelvesbüll“, Seite 36
Dem Bericht der Archäologen ist zu entnehmen, dass von drei eichenen Bodenwrangen und zwei Planken Proben gesägt wurden und von dem Institut Heußner durch eine dendrochronologische Analyse beprobt wurde. Dabei stellte man fest, dass das Holz für die Bodenwrangen 1684 und 1690 aus dem mittleren Havelgebiet oder der Prignitz stammt.
Dagegen stammt das Eichenholz der Planken aus Polen und das Fälldatum wurde mit 1668 respektive 1669 ermittelt. Aus dieser Jahrgangsbestimmung lässt sich schließen, dass das Schiff um die Jahrhundertwende 17/18 Jh. gebaut wurde.
Quelle: SKYLLIS 2017, Heft 2 – „Das frühneuzeitliche Schiffswrack von Hörnum Odde, Sylt“ von Dr. Daniel Zwick und Dr. Stefanie Klooß
„In ihrem vorderen Teil, im vorderen Viertel des Schiffes, ist in die Kielschweinplanke (vermutlich wurde ein Stück abgesägt) eine annähernd quadratische, 24,5 cm x 26,0 cm große Öffnung herausgeschnitten. In dieser Öffnung, der Mastspur, hat ursprünglich ein Mast mit quadratischem Fuß gestanden. Seine Last ruhte hauptsächlich auf einem von der Steuerbordseite über die Schiffsmitte hinaus verlängerten Krummholz und nur zu einem kleinen Teil auf einer Bodenwrange. Eingerahmt wird die Mastspur von einer flachen, nach vorne offene Aussparung, die von einem 31,5 cm breiten Koker herrühren könnte, einem hölzernen Schacht, wie er für Binnenschiffe mit umlegbaren Mast typisch ist. Gegen einen Koker spricht die Beobachtung, dass der Mastfuß in die Kielschweinplanke eingelassen war.
Die in Höhe der Mastspur durch den Kimmweger und die benachbarte Bodenplanke geschnittene runde Öffnung, könnte das Saugrohr einer Lenzpumpe aufgenommen haben“.
Quelle: „Gestrandet bei Uelvesbüll“, Seite 70 und 71
Über dieses historische Wrackteil erzählt man sich eine Anekdote:
„Die vom Meer freigespülte, schwere Eichenholzplanke schleppten vier kräftige Sylter in die Dünen und verbuddelten sie dort im Sand. 2 Jahre später hat man die Planke wieder ausgegraben, denn einer der Sylter beanspruchte einen Teil der über 4 Meter langen Planke für ein Bücherregal“. Der Rest wurde für Studienzwecke und als historischer Nachweis sichergestellt. Die 300 Jahre alte Eichholzplanke befindet heute, gut verpackt in einem Lagerraum.
Wann könnte das Schiff auf der Hörnum Odde zerschellt sein?
„ Zu Beginn des 18. Jh. blieb Nordfriesland verschont von schweren Sturmfluten. Erst die „Weihnachtsflut 1717“ verursachte am 24./25. Dezember 1717 schwere Verwüstungen an der niederländischen, deutschen und dänischen Küste. 11.150 Tote, 8.000 Häuser werden zerstört und 90.000 Rinder ertrinken“.
Die „Eisflut“ am 25./26. Februar 1718 verursachte ebenfalls Schäden in den selben Küstenbereichen“.
Quelle: „Wikipedia“
Diese Fluten haben vermutlich auch auf der Hörnum Odde die Vordünen zerstört und den breiten Sandstrand abgeflacht.
„Noch höher als die „Weihnachtsflut 1717“ war die „Neujahrsflut 1721“ am 31.Dezember 1720/1.Januar 1721. Die nach 1717 notdürftig reparierten Deiche wurden zerstört und die Düne von Helgoland abgetrennt“.
Quelle: „Wikipedia“
Der flache Sandstrand wird überflutet. Unter der etwa 1,50 m starken Kleischicht befindet sich diluvialer Sand, durchzogen mit Eisenkrusten und pliozänem Kaolinsand.
Bei einer starken West-Ost Strömung strandet das Schiff auf dem Kleiboden und wird von der schweren Brandung (1) ständig gegen den Dünenfuß geworfen (2). Dabei zerbrechen Planken und Spanten. Das Wrack wird zum Spielball in der hohen Brandung (3).
Dicke Kleibodenklumpen und Eisenoxyd durchsetzter Sand bilden später Konkretionen an den scharfkantigen Bruchstellen, Holznägeln und Wrangen.
Quelle: Bilder 1, 2 und 3 zeigen die Hörnum Odde während einer schweren Sturmflut 1984, von Pressefotograf Volker Frenzel
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